Inklusion auf Blindenfreizeiten

12. Februar 2012: Einige Jahre fuhr ich als Begleiterin mit zu Blindenfreizeiten.

Das waren sehr schöne Erlebnisse und ich erinnere mich noch gerne daran. Wir waren immer eine sehr gemischte Gruppe, vom Kind bis zum Senior waren  alle Altersgruppen vertreten. Neben körperbehinderten und blinden oder sehbehinderten Teilnehmern waren auch sehende Begleiter und Familienangehörige dabei.

Wir waren eine sehr fröhliche Gruppe. Jeder Tag begann mit einer Andacht und jeden Abend sangen wir Lieder und erzählten von unseren Erfahrungen.

Als wir in Braunlage waren, staunten wir nicht schlecht, dass  wir gleich bei unserem ersten Spaziergang in den Ort mit Musik begrüßt wurden. Wir sahen einen Umzug vom Trachtenverein und verschiedenen Musikkapellen.

In den nächsten Tagen unternahmen wir sehr viel. Wir bewunderten die norwegische Stabhozkirche, das Wahrzeichen von Bockswiese – Hahnenklee und besuchten die Okertalspelle, in der es ein versunkenes Dorf geben soll. Mit der Schmalspurdampfeisenbahn ging es auf den Brocken und mit der Seilbahn auf den Wurmberg. In Werningerode bestaunten wir die Fachwerkhäuser und in Goslar auch die Kaiserpfalz. Außerdem besuchten wir die Rubeländer Tropfsteinhöhle und das Silberbergwerk „Grube Samson“.

Eine Freizeit ging nach Landschlacht, 15 km östlich von Konstanz in der Schweiz gelegen. Hier besichtigten wir die Appenzeller Käserei. Es war sehr interessant, zu sehen, wie Käse hergestellt wird. Wir bekamen Molke zu trinken und durften verschiedene Käsesorten probieren.

In Münsterlingen besuchten wir ein Fischereimuseum. Hier entdeckten wir ein großes Holzboot, welches aus dem Bodensee geborgen worden war. Überall hingen Fischernetze und  lebensgroße Fischerfiguren waren zu sehen.

Fast täglich badeten wir im Bodensee. Auch eine Fahrt zur Insel Mainau, zum Rheinfall von Schaffhausen und nach Konstanz gehörten zum Programm.

Ein anderes Mal ging es nach Heiligenstadt in die Fränkische Schweiz. Von hier aus besuchten wir die Feste Coburg mit dem Lutherzimmer, bewunderten die Hochzeitskutschen, die Ritterrüstungen und die Waffen. Eine Fahrt ging nach Bamberg, dem Venedig des Nordens, wo wir die Altstadt und den Dom besichtigten, eine andere nach Nürnberg mit der imposanten Burg.

Mit dem Bus ging es zur Teufelshöhle, einer Tropfsteinhöhle mit Stalagmiten und Stalagtiten bei Gößweinstein Pottenstein und zur Sommerrodelbahn.

Sicher werden die meisten Leser denken, was sollen blinde Menschen dort, wenn sie gar nicht sehen können? Das dachte ich zuerst auch, aber dann ich habe immer wieder gestaunt, wie interessiert und begeisterungsfähig die blinden Menschen waren und wie gut es ihnen gefiel. Jeder Sehende führte ein oder zwei Blinde und erzählte immer, was es zu sehen gab. Die blinden Besucher durften auch alles vorsichtig anfassen und ertasten.

Für mich war das auch toll, weil ich schon immer gerne geredet habe und nun freuten sich meine Zuhörer sogar darüber. Weil unsere Blinden auch immer erzählten, was sie alles gesehen haben, vergaßen wir fast, dass sie eigentlich blind sind.

Wenn wir in eine City kamen, gehörte für die meisten Blinden ein Besuch in der Eisdiele oder im Café dazu. Die jungen Frauen meinten dann manchmal: „ Hier riecht es nach Kleidung, lasst uns shoppen gehen!

Wir hatten viel Spaß beim Anprobieren und ich erzählte, wie die Kleidungsstücke aussahen und aus welchem Material sie waren.

Am Ende der Freizeit gab es immer einen bunten Abend mit Lagerfeuer, Gesang und Gitarrenmusik. Wir grillten, führten Sketche  auf, lasen lustige Geschichten und Gedichte. Jeder, der Lust hatte, konnte mitmachen.

Wahlrecht auch für Menschen mit Behinderung?

7. Januar 2012: Am Sonntag den 06.11.2011  war bei uns in Seeheim-Jugenheim Bürgermeisterwahl. Wie immer seit meinem 18. Geburtstag war es für mich selbstverständlich, meiner Bürgerpflicht nachzukommen.

Obwohl jeder Bürger in einer Demokratie ein Wahlrecht hat, werden Menschen mit Behinderung ausgeschlossen, wenn ein Betreuer alle ihre Angelegenheiten regelt. Dies erfuhr ich durch eine Pressemitteilung unseres Behindertenbeauftragten Hubert Hüppe. Das finde ich nicht in Ordnung. Mein Onkel war blind, er hatte trotzdem seine eigene Meinung und wollte wählen. Deshalb ging meine Tante immer mit in die Wahlkabine und machte für Ihn ein Kreuz. Ein Wahlzettel in Blindenschrift wäre besser gewesen. Nichtbehinderte Wähler können selbst entscheiden, ob sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Sie können sich zwar informieren, müssen es aber nicht. Manchen behinderten Menschen wird gar nicht zugetraut, dass sie verstehen, worum es geht. Deshalb dürfen sie gar nicht erst entscheiden, ob sie wählen wollen.

Ich wünsche mir, ebenso wie Herr Hüppe uneingeschränktes Wahlrecht für alle Bürger, so wie es in der UN-Behindertenrechtskonvention steht. Wahllokale müssen barrierefrei sein und jeder Wähler muss die Möglichkeit haben, sich gut zu informieren. Deshalb sollte es täglich Nachrichten auch in leichter Sprache, Gebärdensprache und mit Untertiteln geben. Menschen mit Handicap egal, ob blind, taub, körper- oder geistigbehindert sollten auch eine Assistenz bekommen, wenn es nötig ist.

Zum Glück hat man ja auch die Möglichkeit, Briefwahl zu beantragen. Da gibt es vielleicht weniger Barrieren.

Man unterscheidet aktives und passives Wahlrecht: Menschen mit aktivem Wahlrecht dürfen wählen, Menschen mit passivem Wahlrecht dürfen kandidieren und gewählt werden. Vielleicht wäre es gut, wenn mehr Menschen mit Behinderung kandidieren würden, weil sie sicher die Belange behinderter Menschen besser vertreten könnten.

Post von der Blindenhörbücherei

19. Dezember 2010: Als ich vor ein paar Tagen die neue Weihnachts-CD der Blindenhörbücherei aus dem Briefkasten holte, musste ich an die Zeit denken, als mein Onkel noch der Leiter und meine Tante für den Inhalt der CDs verantwortlich war. Sie wählte immer spannende Geschichten, Gedichte, Anspiele und wunderschöne Musik aus für die CDs zu Weihnachten und Ostern.

Ich war zwar noch sehr klein, aber von 1992 bis 2005 war ich immer dabei und durfte im Tonstudio kurze Geschichten vorlesen, Gedichte aufsagen, bei Anspielen mitwirken und mit meiner Tante und meiner Kusine Flötenlieder und –stücke einspielen. Das machte mir immer sehr viel Spaß und die 3000 Hörer waren begeistert.

Für die Kinder gab es immer mehrere extra Geschichten und Lieder.

Einmal bekam meine Tante eine Anfrage, ob sie nicht für ein schwer mehrfach behindertes Mädchen eine CD produzieren könnte.

Natürlich  erklärte meine Tante sich sofort dazu bereit und stellte mit viel Liebe eine CD zusammen.

Die ist so wunderschön geworden, dass ich sie heute noch gerne höre.

Nachdem ich für ein Portrait von mir bei den Dreharbeiten des ZDF für „Menschen – das Magazin“ eine selbst geschriebene Kindergeschichte im Tonstudio vorgelesen habe, bat mich der Nachfolger von meinem Onkel, eine Geschichte für seine Weihnachts- CD zu lesen.

So kommt es, dass ich in diesem Jahr wieder auf der CD zu hören bin.

Ich lese meine eigene Geschichte „Tina und Tom“.