Gedanken zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2024

Gedanken zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2024

Seit 2012 wird der Welt-Down-Syndrom-Tag (WDSD) am 21. März auch von den Vereinten Nationen offiziell begangen. Da bei Menschen mit Down-Syndrom das Chromosom 21 dreifach vorhanden ist, passt es gut. An diesem Tag soll unsere Gesellschaft sensibilisiert werden und die Vorurteile sollen abgebaut werden. Deshalb heißt das Motto in diesem Jahr: Schluss mit den Vorurteilen!

Bei Menschen mit Down-Syndrom spricht man immer wieder von intellektuellen Grenzen. Man spricht ihnen viele intellektuelle Fähigkeiten ab.

Menschen mit einer Trisomie 21 werden ausgegrenzt. Man traut ihnen nicht viel zu, schließlich ist ihre Leistungsfähigkeit doch sehr begrenzt oder?

Seit der NIPT (Bluttest auf Trisomien) Kassenleistung ist, gehört er eigentlich zur Vorsorgeuntersuchung dazu. Immer mehr werdende Eltern entscheiden sich dann gegen ihr ungeborenes Kind und treiben es ab. Dabei sind die Resultate dieser Gentests oft auch falsch psotiv.

Wird es bald eine Welt ohne Kinder mit einer Trisomie 21 geben?

Ist unsere Welt dann besser?

Wie ist das eigentlich so mit den Grenzen und was bedeuten sie für mich?

Grenzen gehören zu unserem Leben dazu. Manche Grenzen brauchen wir, manche schränken uns ein und andere geben uns Sicherheit. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass man die Grenzen anderer akzeptiert, auch wenn man die eigenen Grenzen erweitern möchte.

Welche Arten von Grenzen sind das eigentlich?

Es gibt Grenzen zwischen den Ländern, Wohlfühlgrenzen, zeitliche Grenzen,

Manche Grenzen muss man akzeptieren, andere Grenzen kann man überschreiten oder manchmal muss man auch Grenzen setzen.

Es gibt persönliche Grenzen, Grenzen, die wir brauchen und solche, die uns einengen.

Ethnische Grenzen, Dinge, die uns im Leben etwas bedeuten und die wir für richtig oder falsch halten und Regeln befolgen. Emotionale Grenzen dienen dazu unsere Gefühlswelt zu schützen.

Es gibt Personen, denen wir vertrauen und Menschen, von denen wir uns abgrenzen.

Manchmal sind es auch materielle Grenzen. Manche Wünsche kann ich mir erfüllen, aber oft reicht mein Geld nicht und dann lerne ich Prioritäten zu setzen.

Grenzen gibt es doch für alle Menschen. Mal sind es Berge dann wieder das Meer.

Was heißt es eigentlich, an seine Grenzen zu stoßen?

Fast jeder Mensch stößt doch irgendwann mal an seine Grenzen.

Manchmal sind es die eigenen Grenzen aber oft auch die Grenzen, die einem einfach gesetzt werden von Menschen in der Umgebung, weil sie Angst vor Überforderung haben.

Muss man sich immer mit diesen Grenzen abfinden, aufgeben, verzweifeln und resignieren?

Bin ich nichts wert, wenn ich nicht das leisten kann, was man von mir erwartet oder was ich unbedingt erreichen möchte? Bin ich ein Versager, wenn ich an meine Grenzen stoße?

Es ist wichtig, seine Grenzen kennenzulernen. Manche Grenzen muss man akzeptieren, aber oft kann man sie auch erweitern. Oft werden auch künstlich Grenzen gesetzt, wegen der vielen Vorurteile.

Grenzen sind relativ, man kann sie überwinden, weil man sich auch ständig weiterentwickelt. Deshalb sind diese Grenzen sogar auch immer wieder eine Chance für einen Neuanfang.

Da merkt man, dass man viel mehr leisten kann, als als andere einem zutrauen oder man selbst sich zutraut. Dann kann man seine Wünsche und Ziele weiter verfolgen und viel mehr erreichen, als man je für möglich gehalten hat und das ist gut für das Selbstwertgefühl.

Mir hat mal jemand geschrieben:

„Mögen die Grenzen, an die du in deinem Leben stößt immer auch eine Tür für deine Träume offen lassen und Raum für neue Möglichkeiten schaffen, aus denen ein neuer Weg entstehen kann….“

Das hat mir sehr viel Mut gemacht und gezeigt, dass ich niemals die Hoffnung aufgeben darf.

Als ich bei einer Lehrerfortbildung einen Vortrag über meine Schulzeit hielt und erzählte, dass ich immer wieder die Erfahrung gemacht habe, Grenzen gesetzt bekommen zu haben, meinte eine Lehrerin, dass ich dann sagen soll:

„Wenn du mich so siehst, dann sind das deine Grenzen, nicht meine!“

Menschen, die mir begegnen, haben immer wieder ganz bestimmte Vorstellungen, was es heißt, mit einer Trisomie 21 zu leben.

Das entspricht aber nicht meinem Leben und es sind wirklich auch nicht meine Grenzen.

Ist eine Welt ohne uns besser?
Diversität im Theater, in Film und Fernsehen

Diversität im Theater, in Film und Fernsehen

In der UN-Behindertenrechtskonvention in Artikel 30 geht es um das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben.

Da steht, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am kulturellen Leben teilnehmen dürfen und dass dafür der Zugang zu Fernsehprogrammen, Filmen, Theatervorstellungen und anderen kulturellen Aktivitäten gehört.

Menschen mit Behinderung sollen auch die Möglichkeit bekommen, ihr kreatives künstlerisches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen, nicht nur für sich selbst, sondern auch zur Bereicherung der Gesellschaft.

Leider sind wir noch sehr weit entfernt von diesem Ziel, aber neuerdings ist Inklusion auch ein Thema in der Filmbranche. Man will diverser werden. Bisher kommen Darsteller*innen mit Beeinträchtigung nur sehr selten vor in Film und Fernsehen, das soll sich nun ändern. In Filmen und Serien soll die gesamte Vielfalt der Bevölkerung sichtbar sein. Dazu gehören auch Menschen mit Einschränkungen.

Schließlich konsumieren sie ja auch und möchten sich in den Geschichten wiedererkennen. Deshalb brauchen wir viele neue Geschichten, in denen Behinderung gar nicht Thema sein muss. Geschichten, die klischeefrei den Alltag in der Familie, Freizeit und im Beruf ohne Ausgrenzung erzählen. Die Behinderung macht nämlich nur einen ganz kleinen Teil der Person aus, deshalb können diese Geschichten auch sehr spannend und abwechslungsreich sein. In den Filmen könnte es z. B. um Freundschaft, Liebe, Erfolg oder Scheitern und sogar auch um Mord und Totschlag gehen.

Es sollten mehr Erfolgsgeschichten erzählt werden, so könnten Filme auch dazu beitragen, das Bewusstsein der Menschen zu schulen und auch darüber aufzuklären, was es heißt, mit einer Beeinträchtigung zu leben.

Vielleicht könnten solche Formate sogar für den Unterricht genutzt werden um Vielfalt zu zeigen und bei der Meinungsbildung zu unterstützen.

Filme könnten dem Publikum auch solche Bereiche zugänglich machen, die ihm bisher fremd und unbekannt sind.

Wegen der vielen Sondereinrichtungen in Deutschland gibt es doch kaum oder gar keinen Kontakt zu Menschen mit Beeinträchtigung. Man beschäftigt sich nicht mit dem Thema Behinderung und Inklusion ist immer noch weitgehend unbekannt.

In den meisten Filmen steht die Behinderung im Vordergrund und die Darstellung ist sehr klischeehaft, realitätsfern und voller Vorurteile. Die Filmfigur spielt eine Opferrolle, ist bemitleidenswert, braucht immer Hilfe oder spielt eine übertriebene Heldenrolle.

Da Darsteller*innen mit Behinderung Kompetenzen und Fähigkeiten meist abgesprochen werden, spielen zu 98 % Schauspielerinnen und Schauspieler ohne Behinderung auch solche Rollen sehr gern. Es gibt nämlich besonders viel Lob für diese Darstellungen und 16 % der Oskarpreisträger bekamen Ihren Preis für eine Rolle mit Behinderung oder psychischer Krankheit.

Darsteller*innen mit der entsprechenden Einschränkung könnten diese Rollen bestimmt viel realistischer, authentischer und glaubwürdiger spielen. Die Behinderung ist nämlich Teil ihres Lebens und sie wissen, wie es sich anfühlt.

Meine Devise war ja immer: „Wer gesehen wird, gehört dazu!“

Aber stimmt das und reicht das? Kommt es nicht vielmehr auch darauf an, wie man gesehen wird?

Schließlich beeinflussen Filme oder TV-Serien sehr stark das öffentliche Bild von Personen mit Krankheiten oder Behinderungen.

Sicherlich gibt es viele kreative Ideen, um ein positiveres Bild zu zeigen. Um diese umzusetzen brauchen wir den Austausch zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen, zwischen Redaktionen, Produktionsfirmen, beim Drehbuch, Regie und Casting,

Stimmt es, wenn behauptet wird, dass die Leute Menschen mit Behinderung nicht sehen wollen, weil die Zusachauer damit einfach überfordert wären?

Ist es nicht viel mehr Diskrimminierung, Figuren mit Behinderung mit Schauspielerinnen oder Schauspielern ohne Behinderung zu besetzen

Sicherlich gehört Mut von Entscheidungsträgern dazu, auch Darstellern mit einer Einschränkung Rollen anzubieten und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.

Aber das ist Inklusion und Chancengleichheit!

Immer wieder heißt es dann, wir würden ja gerne, aber es ist leider nicht möglich, weil wir auf die Drehzeiten achten müssen und die finanziellen Mittel leider fehlen. Außerdem finden wir leider gar keine Darsteller, die solche Rollen spielen können.

Da habe ich schon so meine Zweifel. Schließlich habe ich verschiedene Erfahrungen gemacht.

In Filmen bekomme ich immer Rollen, in denen ich mehr eingeschränkt spielen muss, als ich es in Wirklichkeit bin. Da heißt es einfach, wer so fit ist, wie du, kann auch jemanden spielen, der vieles nicht so gut kann. Umgekehrt wäre das natürlich nicht möglich.

Im wahren Leben habe ich nie eine Behinderteneinrichtung besucht, aber im Film muss ich immer in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten.

Verschiedene Rollen bekomme ich nicht, weil ich angeblich nicht so spreche, wie jemand mit Down-Syndrom oder weil ich dafür leider nicht behindert genug bin.

Mal heißt es, dass man mir die Behinderung gar nicht ansieht, dann heißt es wieder, dass ich mal in den Spiegel schauen soll. Mit meinem Aussehen kann ich doch nur jemanden mit einer Behinderung spielen.

Ich habe einfach das Gefühl, dass es gar nicht darum geht, mich als Person zu besetzen, sondern nur meine Behinderung und die soll dann auch noch vollkommen anders dargestellt werden, als mein Leben in der Realität.

Ich möchte so gerne zeigen, was ich kann, an meine Grenzen stoßen und diese nach Möglichkeit sogar noch erweitern.

Wie schön wäre es, wenn Drehbuchautoren und Autorinnen die Erfahrungen und Fähigkeiten von Schauspieler*innenn mit Behinderung in Szenen und Dialogen berücksichtigen und mit einbeziehen würden.

Spannend wäre doch z. B. auch, wenn eine Rolle, die im Drehbuch keine Behinderung hat, einfach mal mit einem Darsteller mit Behinderung besetzt werden würde, ohne dass dies Thema im Film wäre, mit Szenen, in denen gerätselt würde, hat er oder sie nun eine Behinderung oder vielleicht doch nicht?

Um wirklich inklusiv zu werden, muss in der Filmbranche noch viel geschehen!

Die Politik kann mit einer entsprechenden Filmförderung sehr viel erreichen.

Diversion sollte auch im Filmförderungsgesetz verankert werden.

Bestimmt wären da Diversitätsbeauftragte im Produktionsprozess sehr hilfreich.

Eine Diversitätscheckliste gibt es ja schon, vielleicht brauchen wir auch noch eine Diversitätsquote.

Natürlich müssen Darsteller*innen mit Beeinträchtigung mehr in Casting-Datenbanken vertreten sein und sie sollten die Chance für eine gute Ausbildung bekommen und auch nutzen.

Wenn die Filmschaffenden den Mut hätten, mal etwas Neues auszuprobieren und nicht wegen der Quote immer die gleichen Schauspieler besetzen würden, wäre unsere Filmwelt viel bunter und schöner.

Filme mit Geschichten, die spannend und unterhaltsam sind, geben den Zuschauern die Möglichkeit, sich mit den Figuren zu identifizieren, deshalb dürfen sie sich nicht nur auf die Behinderung beziehen.

Welt-Down-Syndrom-Tag 2023

Welt-Down-Syndrom-Tag 2023

Den Welt-Down-Syndrom-Tag gibt es seit 2006, er wurde erstmals in Genf gefeiert.

Die Vereinten Nationen haben am 10. November 2011 den 21. März zum Welttag der Menschen mit Down-Syndrom erklärt.

Seit dem 21. März 2012 wird er weltweit offiziell begangen.

Das passt gut, weil bei Menschen mit Down-Syndrom das Chromosom 21 dreifach vorhanden ist.

Hauptsächlich Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen organisieren viele Veranstaltungen und wollen mit Posteraktionen das öffentliche Bewusstsein für das Thema Down-Syndrom und eine positive Wahrnehmung in den Mittelpunkt stellen.

Zum Beispiel gibt es da die „bunte Socken-Aktion“. Da werden an diesem Tag zwei verschiedenfarbige bunte Socken getragen, weil ein Chromosom so ähnlich aussieht, wie eine Socke und bunt steht für Vielfalt und Diversität.

Seit 2010 werden die „World-Down-Syndrom-Awards“ für besonderes ehrenamtliches, berufliches oder wissenschaftliches Engagement verliehen.

In diesem Jahr lautet das Motto: „ Mit uns, nicht für uns“.

Das bedeutet, Begegnung auf Augenhöhe. Wir möchten selber entscheiden und nicht fremdbestimmt werden.

So steht es auch in der UN-Behindertenrechtskonvention, die von Deutschland 2009 ratifiziert wurde.

Das Ziel der Konvention ist die volle und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen. Dazu gehören Nicht-Diskriminierung, Chancengleichheit, Selbstbestimmung, Inklusion, Partizipation, Wahlrecht, Teilnahme und Teilgabe und Solidarität in allen Bereichen.

Inklusion ist nämlich ein Menschenrecht, das uns allen zusteht.

Jeder Mensch ist einzigartig! Trotzdem gibt es leider immer noch Ausgrenzung statt Teilhabe.

Seit dem ersten Juli 2022 ist der nicht invasive Pränataltest (NIPT) Kassenleistung.

Bei diesem Test handelt es sich um ein Screening, ein Suchverfahren zur Selektion, mit dem Trisomien aufgespürt werden. Dieser Test hat keinerlei medizinischen Nutzen, die Diagnose

sorgt nicht für die Verbesserung von Therapiemöglichkeiten und Lebensperspektiven von Menschen mit Behinderung. Sie sagt auch nichts über den Schweregrad der Behinderung aus.

Viele werdende Eltern haben Angst davor, ein Kind mit einer Trisomie 21 zu bekommen und entscheiden sich deshalb zu einer Abtreibung. Diesen Eltern möchte ich gerne die Angst nehmen. Auch das Leben mit einer Trisomie 21 ist lebenswert.

Mein Appell an alle diese Eltern lautet: „Lernt uns doch erst mal kennen, bevor ihr euch gegen euer Kind und für eine Abtreibung entscheidet.“

Sicher werden bald gar keine Babies mit Down-Syndrom mehr geboren werden.

Ich habe neulich ein Motto gefunden und weiß gar nicht, von wem es ist, aber es trifft ganz genau auf mein Leben zu: „Du hast dieses Leben bekommen, weil du stark genug bist, es zu leben.

Lebe dein Leben!“

Martin Luther King hatte einen Traum, dass Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden. Mein Traum ist es, dass Menschen nicht wegen ihrer Chromosomen verurteilt und ausgesondert werden sondern wegen ihrer Persönlichkeit und Liebenswürdigkeit so akzeptiert werden, wie sie sind.

Damit dies möglich wird, müssen wir viel mehr gesehen werden, besonders auch in den Medien.

Ich sage immer wieder, wenn es mehr Filme gäbe, in denen alle zu sehen sind, egal ob mit oder ohne Behinderung, dann ist es auch für die Zuschauer selbstverständlich.

Ich wünsche mir Filme, in denen es gar nicht um Behinderung geht, Filme, die nicht defizitorientiert sind, sondern solche, in denen alle ganz normal dazu gehören und zeigen, was möglich ist.

Bisher habe ich in Filmen immer Rollen gespielt, in denen ich mehr eingeschränkt bin, als im wahren Leben.

Nun wünsche ich mir, einmal nicht die Behinderte zu spielen.

Ich möchte gerne an meine Grenzen stoßen und diese erweitern dürfen.

Ich wünsche mir spannende Geschichten, die die Zuschauer dazu animieren, sich mit meiner Figur zu identifizieren und zu vergessen, dass ich mit einer Trisomie 21 lebe.

Ich sage immer wieder: „Wer gesehen wird, gehört dazu!“

Das gilt natürlich nur dann, wenn man uns auch sehen will und dies kundtut.

Das wünsche ich mir besonders am Welt-Down-Syndrom-Tag 2023 und in Zukunft!

Carina Kühne als Kind